Eine Reise mit allen Sinnen

Erscheinungsdatum | 20.03.2025

Entspannung, Achtsamkeit, Ruhe – wer sich danach sehnt, für den ist Waldbaden genau das Richtige. Shinrin Yoku, der japanische Begriff für Waldbaden, meint das bewusste Eintauchen in die Waldatmosphäre. Ist Waldbaden Hype oder heilsam? Unsere Redakteurin Kriske hat es ausprobiert und berichtet von einer Reise voller (Selbst-)Entdeckungen.

„Wir treten gleich gemeinsam in den Wald“, sagt Stefan Pruschwitz und zieht mit dem Fuß eine Linie auf dem Weg. „Denkt mal an das, was euch im Alltag oder beruflich im Moment beschäftigt. Sucht einen Gegenstand und verankert diese Gedanken darin. Und legt ihn hier ab. Wir lassen alles draußen, was uns belastet.“

Ich habe mir einen Ast mit vielen Zweigen ausgesucht. Ich lege ihn ab und mache einen Schritt in den Wald hinein. Meine Begleiterinnen und Begleiter tun es mir gleich. Wir sind zu dritt. Stefan Pruschwitz, unser Waldbademeister (ja, das heißt wirklich so!) führt uns für die nächsten drei Stunden durch den Wald. Schon bei der Begrüßung ist mir seine angenehm ruhige Art aufgefallen. Macht das das Waldbaden?

Wir sind im Seulingswald, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Hessens. Stefan Pruschwitz ist zertifizierter Waldbademeister und führt diese Touren seit 2019 durch. Er möchte Menschen zeigen, was der Wald alles kann. Waldbaden reduziert nachweislich Stress, verbessert Atmung, Puls und Blutdruck und stärkt das Immunsystem. Und es macht Spaß!

Zwischen Eichen und Buchen leitet Stefan Pruschwitz einige Übungen an, mithilfe derer wir den Wald auf ganz neue Art erkunden können. Mit allen Sinnen.

Hören

„Sucht euch ein ruhiges Plätzchen an einem Baum und schließt die Augen. Hört ganz bewusst in den Wald hinein. Was nehmt ihr wahr?“ Viel. Vor allem das Rauschen der Autobahn. Aber auch fallende Blätter. Den Wind, der durch die Bäume rauscht. Plätscherndes Wasser. Einen zwitschernden Vogel. Den raschelnden Waldboden. Schnell höre ich die Autobahn gar nicht mehr.

Riechen

Allein die gesunde Luft im Wald ist Grund genug für ein Waldbad. Die in der Waldluft vorkommenden ätherischen Öle stärken das Immunsystem. Nach nur einem Waldbad steigt nachweislich die Anzahl und Aktivität der natürlichen „Killerzellen“ – spezialisierte Immunzellen, die Viren und veränderte Zellen erkennen und bekämpfen – an. Zusätzlich erkunden wir den Wald mit dem Geruchssinn. Ich finde den erdigen Geruch des Waldbodens besonders beruhigend.

Sehen

„Der Wald birgt viel mehr Farben als grün, gelb und braun. Geht mal auf die Suche und schaut, welche Farben ihr entdeckt, wenn ihr genau hinseht.“ So viele unterschiedliche Grün- und Gelbtöne. Ich finde sogar einen violetten Pilz. Wunderschön. Der Grasfrosch deckt gleich mehrere Farben ab. Und ist froh, als wir ihn wieder in den Wald entlassen. Indem wir unsere Finger zu einem Bilderrahmen formen, fangen wir unsere liebsten Perspektiven im Wald ein. Und betrachten sie mit einer Lupe ganz nah. Erstaunlich, wie viel auf einem Stück Rinde zu entdecken ist, wenn man so genau hinschaut.

Fühlen

Zum Schluss machen wir eine kleine Partnerübung. Meine Partnerin führt mich mit verbundenen Augen zu einem Baum, den ich mir einzuprägen versuche. Wie fühlt er sich an? Welche Merkmale hat er? Kann ich ihn umfassen? Was ertaste ich drumherum? Erstaunlich. Ich finde den Baum mit offenen Augen sofort wieder, obwohl ich ihn nie zuvor gesehen habe.

Was ist Waldbaden?

In Japan ist es seit Jahrzehnten eine anerkannte Methode zur Stärkung der Gesundheit und wird von Ärztinnen und Ärzten verordnet. In Deutschland interessiert man sich zunehmend für die Waldmedizin. Waldbaden ist das Eintauchen in die wohltuende, gesunde Atmosphäre des Waldes. Es ist ein Achtsamkeitstraining, das auf spielerische Art alle Sinne schult. In Japan heißt dieses Konzept Shinrin Yoku.

400 Liter Wasser pro Tag pumpt ein Baum im Mischwald im Sommer durchschnittlich aus dem Boden nach oben.

Drei Stunden vergingen wie im Flug. Auf dem Rückweg fragt Stefan Pruschwitz, was wir mit unseren Alltagsgedanken machen möchten, die wir draußen gelassen hatten. Ich nehme meinen Ast und werfe ihn lächelnd ins Gebüsch.

Diese Eigenschaften bietet dir diese Route:

Gruppen Entspanntes Bewegungslevel Kleines Budget Großes Budget Mittlerer Zeitaufwand

Für wen ist Waldbaden geeignet?

Waldbaden ist grundsätzlich für jeden geeignet. Der Aufenthalt in der frischen Waldluft stärkt jeden Körper. Die Übungen des Waldbadens eignen sich besonders für Personen, die

  • Ruhe und Ausgeglichenheit in der Natur suchen
  • Stress abbauen und die eigene Widerstandskraft stärken möchten
  • All ihre Sinne schärfen möchten
  • Lust darauf haben, die Natur und den Wald mal etwas anders kennenzulernen

Wo kann man das machen?

Rund 40 Prozent Nordhessens ist von Wald bedeckt – wo kann man also besser Waldbaden als hier?

Als geführte Tour zum Beispiel mit Waldbademeister Stefan Pruschwitz

Adresse

Sehnsucht Wald

An der Sommerseite 72

36251 Bad Hersfeld

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Wer Waldbaden auf eigene Faust probieren möchte, kann das z. B. im Wald-Therapiezentrum Weißenborn tun. Der Entschleunigungswald ist frei zugänglich, die Benutzung kostenfrei.

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Anreise

Die Busse und Bahnen in Nordhessen bringen euch in zahlreiche Wälder in unserer Region. Nach Bebra, wo unsere Tour begann, kommt ihr zum Beispiel mit dem RE5 aus Richtung Kassel oder Richtung Bad Hersfeld.